„Gute Gründe für ein Leben in der Kirche“ nennt der Grazer Dogmatiker Bernhard Körner in seinem Buch, das Borromäusverein und Sankt Michaelsbund als Religiöses Buch des Monats April empfehlen. Sie ist allen Fehlentwicklungen zum Trotz Botschafterin Gottes in unserer Welt und hat den Auftrag, den Menschen das Evangelium von der Liebe Gottes nahezubringen.
„Kirche – das ist mehr als eine Botschaft, es ist eine Lebensmöglichkeit.“ Eine schöne Formulierung – aber tragfähig angesichts der Kirchenkrise? Ist die erlebte Kirche der Gegenwart nicht ungleich trister, als es diese Worte nahelegen?
Gegen dieses Gefühl schreibt Bernhard Körner an, Professor für Dogmatik in Graz. Gegen den großen Frust, der sich wie eine Grippeepidemie ausbreitet, erinnert er seine Leserinnen und Leser an das, was Kirche ausmacht und worauf es ankommt: Sie ist die Botschafterin Gottes in dieser Welt. Ihr Auftrag besteht in der Verbreitung des Evangeliums, also der Zusage, dass Jesus in seinem Tod und seiner Auferstehung das Tor zu Gott geöffnet hat und „dass wir im Wissen um Gottes unverbrüchliche Liebe selbst Liebe riskieren können – auch dort, wo es menschlich schon fast verrückt ist.“
Auf der Ebene des gelebten Glaubens bietet die Kirche Halt. Sie trägt den persönlichen Glauben durch die Erfahrung von Ohnmacht und Gottesferne und verhindert, dass er zu Wunschdenken verengt wird.
Diese positive Sicht auf die Kirche verstellt Körner keineswegs den klaren Blick auf die Schwierigkeiten, mit denen jeder Christ und die Kirche als Ganzes zu kämpfen hat. Daher beginn sein Buch mit einer Situationsanalyse, in der er die wichtigsten Probleme wenigstens kurz skizziert: die Gottesfrage, das schlechte Image der Kirche, die (vermeintlich) dunkle Vergangenheit, die Dauerbrenner wie Zölibat, Rolle der Frau und innerkirchliche Demokratie.
Doch Körner bleibt nicht bei der Analyse stehen, sondern sucht nach Auswegen. Zur viel diskutierten Frage nach Gott angesichts des Übels in der Welt erinnert er an die Unfassbarkeit Gottes. Gott ist eben nicht der „liebe Gott“. Er ist oft genug unbegreiflich, fremd und unnahbar. Angesichts solcher Erfahrungen ist das Kreuz der letzte Bezugspunkt, das Hoffnungszeichen der Christen. Damit sei die Frage nach dem Leid keineswegs erledigt, betont Körner, aber der aufs Kreuz gestützte Glaube rechne mit den unerschöpflichen Möglichkeiten Gottes.
Angesichts der vielfältigen Erwartungen an die Kirche fordert er mehr Realismus. Gott habe die Kirche den Menschen mit ihren Grenzen anvertraut – trotzdem sei sie heilig, weil ihre Heiligkeit von Gott stamme. Deshalb dürfe man sich vom menschlichen Makel nicht den Blick verstellen lassen auf das, was an Kirche lebendig und wertvoll ist.
Andererseits schreibt Körner der Kirche – und damit allen Katholiken – ins Stammbuch, dass Triumphalismus und Überheblichkeit in Wort und Auftreten fehl am Platze sind. Die Kirche stehe für einen Gott, der auf jeden Zwang verzichtet und „um unseretwillen schwach und klein geworden ist“.
Wenn die Kirche in den westlichen Gesellschaften wieder mehr Ansehen gewinnen will, muss sie selbst (wieder) einen Perspektivwechsel vollziehen. „Es geht darum“, schreibt Körner mit Blick auf die Rede Johannes XXIII. zur Eröffnung des Konzils, „dass wir, die Kirche, über ‚die Welt von heute‘ negativ denken und reden, sie verurteilen, abwerten. Das wirft einen langen Schatten auf die Menschen, ist ungerecht und alles andere als einladend … Es geht darum, die Menschen so zu sehen, wie Gott sie sieht. Und ihnen zu begegnen, wie Gott ihnen durch Jesus begegnet ist.“ – Ein schönes, herausforderndes Programm und ein Buch, das den Kopf frei macht, sich für dieses Programm einzusetzen. Christoph Holzapfel/Borromäusverein
Bernhard Körner: Gute Gründe für ein Leben in der Kirche. Innsbruck, Wien: Tyrolia 2012. – 172 S.; 12,95 €. – Dieses Buch kaufen (bei der borro medien gmbh).
(Als „Religiöses Buch des Monats“ benennen der Borromäusverein, Bonn, und der Sankt Michaelsbund, München, monatlich eine religiöse Literaturempfehlung, die inhaltlich-literarisch orientiert ist und auf den wachsenden Sinnhunger unserer Zeit antwortet.)