Ist das noch unsere Kirche? – Religiöses Buch des Monats März

Ist das noch unsere Kirche?  Mit dieser Frage beschäftigt sich Achim Buckenmaier in seinem Buch, das Borromäusverein e.V. und Sankt Michaelsbund als Religiöses Buch des Monats März empfehlen. Angesichts der verfestigten Positionen zwischen Reformern und Konservativen schlägt er einen Perspektivwechsel vor.

Ist das noch unsere Kirche? – so fragen sich heute viele Gläubige. Während die einen allerdings bezweifeln, ob eine Kirche, die nicht endlich fundamentale Reformen vollzieht, noch ihre Kirche sein kann, stellen andere in Frage, ob eine Kirche, die in den letzten Jahrzehnten bereits so viele jahrhundertealte Traditionen aufgegeben hat, noch die ihre ist. Die Positionen scheinen mittlerweile so festgefahren, dass ein Aufeinanderzu-Bewegen, ja ein Bewegen überhaupt nur noch schwer vorstellbar ist. Der Theologe Achim Buckenmaier rät in dieser Situation zu einem Perspektivenwechsel. Dazu erinnert er an den ursprünglichen „Bauplan“ der Kirche und zeigt, wie über die Jahrhunderte hinweg versucht wurde, diesen Bauplan umzusetzen.

Um das Wesen der Kirche verstehen zu können, ist es zunächst nötig, sich ihrer Wurzeln zu vergewissern – und die liegen, wie der Autor eindrucksvoll klarmacht, nicht allein im sog. „Urchristentum“, sondern viel weiter zurück, in der Geschichte des Volkes Israel. Es geht in der Geschichte Israels wie in der „ekklesia“ der frühen Christen im Wesentlichen darum, als Volk, als Versammlung, als Gemeinschaft das ganze Leben nach Gottes Willen auszurichten, es geht um einen gesellschaftlichen Lebensstil. Zu diesem Lebensstil gehört ganz wesentlich, ein konkretes Zusammensein zu pflegen, sich untereinander über alles auszutauschen, füreinander Verantwortung zu tragen, sich gegenseitig zu korrigieren, um schließlich einmütig zu hören auf Gottes Wort. Ein hohes Ideal, das zweifellos oft oder sogar meist in der Geschichte der Kirche verfehlt wurde, das aber doch prinzipiell möglich ist, wie der Blick auf große Heilige wie Franz von Assisi, Teresa von Avila oder Ignatius von Loyola zeigt, die große Reformbewegungen der Kirche in Gang gebracht haben – allerdings nicht durch Theoretisieren, sondern durch das Vorbild ihres eigenen Lebens.

Unter dieser Perspektive erscheint Achim Buckenmaier auch die aktuelle Diskussion um die Möglichkeiten des Einzelnen, bei der Leitung der Kirche mitzuwirken, um wesentliche Dimensionen verkürzt. Wer die Kirche nicht ausschließlich als soziologische Realität begreift, der wird erkennen, dass die Kirche in Wirklichkeit von Glaubenden geleitet wird. Diese Einsicht macht die Diskussion um Ämter und Strukturen nicht überflüssig, rückt sie aber in das rechte Licht. Und auch die zurückgehende Zahl der Gläubigen muss nicht völlig pessimistisch gesehen werden, wenn man sich auf biblische Erfahrungen besinnt. Der in Zukunft vielleicht wirklich unvermeidliche Verzicht auf manche gewohnte Institutionen und Strukturen zur gesellschaftlichen Einflussnahme muss keineswegs zwangsläufig einen Rückzug in eine elitäre, abgeschottete „kleine Herde“ bedeuten – die Heilsgeschichte des Volkes Israel zeigt vielmehr, dass Gott immer wieder auch aus einem kümmerlichen Rest einen Neuanfang zu setzen vermag.

Nicht nur der Blick in die Geschichte des Gottesvolkes entkräftet aber für Christen jede Zukunftsangst, sondern auch die Erfahrung, zu einer universalen, weltumspannenden Kirche zu gehören, die in vielen Ländern und Kontinenten neue Wege erprobt und findet, von denen alle lernen können. Und nicht zuletzt ist der Untertitel von Achim Buckenmaiers Buch, „Die Zukunft der christlichen Gemeinde“, durchaus auch ökumenisch zu verstehen – obgleich von einem katholischen Theologen und sicher meist mit Blick auf die katholische Kirche geschrieben, geht es dem Autor um derart grundsätzlich Christliches, dass diese Gedanken für jeden Christen, gleich welcher Konfession, ungeheuer anregend und bedenkenswert sein können. Thomas Steinherr/Sankt Michaelsbund

Achim Buckenmaier: Ist das noch unsere Kirche? Die Zukunft der christlichen Gemeinde. Regensburg: Verlag Friedrich Pustet, 2012. – 156 S.; 16,90 €. – Dieses Buch kaufen – bei der borro medien gmbh.

(Als „Religiöses Buch des Monats“ benennen der Borromäusverein, Bonn, und der Sankt Michaelsbund, München, monatlich eine religiöse Literaturempfehlung, die inhaltlich-literarisch orientiert ist und auf den wachsenden Sinnhunger unserer Zeit antwortet.)

 

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